Der Versuch einer Annäherung II

Kinder der neuen Generation

Vielleicht haben Sie auch schon einmal davon gehört, dass seit einiger Zeit, beginnend mit den 1980er Jahren vor allem aber seit der letzten Jahrtausendwende, also seit 2000 und besonders seit 2010, vermehrt Kinder geboren werden, die solche besonderen Eigenschaften zeigen. Schon seit längerem sind verschiedene Menschen darauf aufmerksam geworden, dass immer mehr Kinder besondere Begabungen haben. In den USA sind sie mit dem Begriff Indigo-Kinder bezeichnet worden, andere sprechen von Sternenkindern, Kristallkindern, autonomen Kindern, Regenbogenkindern, Systemsprengern…

Diese Kinder sind schon von klein auf sehr wach, zeigen einen besonders starken Eigenwillen und sind zu vielen „Kämpfen“ mit den Eltern, Erzieher*innen, Lehrer*innen und anderen Erwachsenen bereit. Wir können heute schon davon sprechen, dass eine neue Generation mit neuen Fähigkeiten auf die Welt gekommen ist, die nur ganz schwer in die herkömmlichen Muster und Lernformen einzufügen ist, die sich dagegen sogar z.T. vehement wehrt. Schon in den Kindergärten, vor allem aber in den Schulen wird ständig über die „schwierigen“ Kinder geklagt und es werden alle möglichen sonderpädagogischen Förderbedarfe festgestellt und Förderprogramme dafür entwickelt bis hin zu der Einzelbegleitung von bestimmten Kindern, die in der Schule „auffällig“ sind.

„Fehldiagnosen?“

Aus meiner Sicht ist der Umgang mit diesen Phänomenen eine eklatante Fehlentwicklung! Man versucht, diese neuen Kinder mit alten Mustern und Methoden zu diagnostizieren, einzuordnen, zu klassifizieren und zu therapieren, die diesen Kindern aber nicht gerecht werden (können). Ihre besonderen Begabungen sind mit den herkömmlichen Tests nicht zu erfassen und deshalb wird man ihnen mit diesen Tests nicht gerecht, sondern versucht, irgendwelche Erklärungen oder Diagnosen zu bekommen für etwas, was man nicht versteht, um damit eine scheinbare Sicherheit zu bekommen. So gibt es meiner Meinung nach viele Diagnosen von „sozial-emotional-gestört“ über ADHS, ADS bis hin zu Depression und Autismus, die aufgrund bestimmter Phänomene gestellt werden, die das Kind zwar zeigt – aus meiner Sicht vor allem unter Stress-Bedingungen wie auch diese Tests nun einmal sind – ,die aber nicht das Wesentliche des Kindes erfassen.

Die neuen Kinder besser verstehen lernen

Diese Kinder der neuen Generation sind fast alle gefühlsstark, hochsensibel, deshalb überwach und sehr schnell überreizt, zum großen Teil hellfühlig, teilweise hellsichtig, haben also Wahrnehmungen, die normale Menschen nicht haben und in der Regel auch nicht verstehen können, sind sehr eigensinnig und in gewisser Weise sehr klug, teilweise weise. Ich könnte hier noch viele weitere Merkmale aufzählen, die sie aber in verschiedener Form in meinem Fragenteil für Kinder finden, dessen Fragen Ihnen helfen sollen zu prüfen, inwieweit diese Merkmale auf Ihr Kind oder Sie selbst zutreffen. Das könnte Ihrem Kind und vielleicht auch Ihnen selbst manchen Test und daraus folgende Fehldiagnosen ersparen.

Ich bin auf ein lesenswertes Buch gestoßen, das diese neue Generation zum Thema hat von Armen Tougu und Kerttu Soans: Könnt ihr uns zuhören? Kinder wollen eine andere Gesellschaft, Dreifalter Verlag, 2018. Die Autoren beschreiben die Kinder der neuen Generation nach sieben Ausprägungen:

  1. das hyperaktive Kind,
  2. das ungehorsame Kind,
  3. das Kind mit einem Missionsgefühl,
  4. das Kind mit einem weit zurückreichenden Gedächtnis,
  5. das empfindsame Kind,
  6. das unhöfliche Kind,
  7. das verschlossene (autistische) Kind.

Sie beschreiben auch Wege zum Verständnis dieser besonderen Kinder. Ich selbst vermeide solche Festlegungen und Einordnungen immer bewusst. Ich nenne sie aber hier, weil sie vielleicht manchen zum besseren Verständnis ihres Kindes oder von sich selbst im Rückblick auf die eigene Kindheit helfen können.

Es fängt in der Kindheit an!

Wie oben schon gesagt, entwickeln die meisten Hochsensiblen schon als kleine Kinder die unterschiedlichsten, sehr individuellen Strategien, mit ihren besonderen Wahrnehmungen umzugehen, damit fertig zu werden, um möglichst normal zu erscheinen und nicht aufzufallen. So lernen sie schon sehr früh bei negativen Reaktionen ihrer Umwelt, vor allem der Eltern, aber auch der Geschwister und Spielkameraden und anderer Verwandten –später dann der Erzieher und Lehrer –, sich nicht mehr zu äußern, ihre Wahrnehmungen, Erfahrungen, Gefühle, Gedanken, Bilder… für sich zu behalten. Meist geht damit eine Unterdrückung der intensiven Gefühle einher, die nicht mehr zugelassen werden, wie abgespalten werden. Auch die in der Regel starken körperlichen Reaktionen auf äußere Eindrücke, vor allem auf Reizüberflutung werden unterdrückt, übergangen. So entwickeln sie ganz verschiedene Überlebensmechanismen, um damit leben zu können.

  • Manche hochsensible Kinder ruhen glücklicherweise so in sich selbst, sind so sicher, autonom und harmonisch, dass sie auch auf ihre Umwelt beruhigend und ausgleichend wirken. Sie strahlen in gewisser Weise positiv in ihr Umfeld. Sie sind gerne gesehene Gesprächspartner und Freunde.
  • Andere sind sehr empathisch und offen für alle Begegnungen, so dass sie schnell Kontakt bekommen.
  • Wieder andere sind scheinbar sanguinisch und können schnell von einer Sache, von einer Begegnung zur anderen hüpfen.
  • Manche Kinder schotten sich ab, ziehen sich in sich zurück, machen sich stumpf gegen die anstürmenden Eindrücke und vor allem gegen die in ihnen auftauchenden, aufbrausenden Gefühle.
  • Manche wirken wie erstarrt, abgelähmt, haben sich „dicht“ gemacht und bekommen deshalb oft eine Diagnose aus dem „Autismus-Spektrum“.
  • Bei anderen entlädt sich das nach außen in – oft ungezügeltem, überschießendem – Bewegungsdrang, Gefühlsausbrüchen, Wortschwallen, Dominanzgehabe, scheinbarer Aggressivität…, so dass sie z.B. die Diagnose „emotional-sozial gestört“ bekommen.
  • Manche Kinder polstern sich auch äußerlich, werden zunehmend dicker, legen sich eine äußere Schutzschicht zu, was aber häufig wieder zu Ausgrenzung, Hänseln… durch andere Kinder führt und die Spirale nach unten verstärkt. So bekommt für diese Kinder durch diesen speziellen Schutzmechanismus ihr Leiden noch weitere Dimensionen, was wiederum den Schutzmechanismus noch weiter verstärken kann.

Resonanz als Qualität und als Belastung

Ganz typisch ist es, dass eigentlich alle kleinen Kinder, aber insbesondere kleine hochsensible und gefühlsstarke Kinder mit ihren Eltern so in Resonanz sind, dass sie die Gedanken und Gefühle ihrer Eltern in sich selbst erleben. Sie wissen vieles einfach, ohne dass man es ihnen sagen muss. Wenn ihre Eltern sie für völlig in Ordnung und liebenswert halten, fühlen sie sich eben so und fühlen sich geborgen und sicher. Wenn sie von ihren Eltern für dumm oder schwierig gehalten werden, ohne dass die Eltern das sagen müssen, halten sie sich selbst für dumm oder schwierig, weil dieses Gefühl durch Resonanz von dem Erwachsenen direkt mental abgenommen wird und innerlich in dem Kind entsteht. Das bedeutet, dass die direkten Bezugspersonen solcher besonders sensiblen, gefühlsstarken Kinder ihre Gedanken und Gefühle sehr kultiviert haben sollten und sich derer sehr bewusst sein sollten.

So überträgt sich auch Ärger oder Stress der Erwachsenen oder der Umgebung direkt auf das Kind. Viele kennen die sich dadurch aufschaukelnde Spirale bei Missverständnissen, Streit oder auch bei den Hausaufgaben. Erst mit zunehmendem Alter der Kinder und der damit einhergehenden größeren Bewusstheit wird eine Differenzierung für sie möglich, sodass sie unterscheiden lernen können, welche Gefühle, Worte, Gedanken in ihnen als Resonanz zu einem anderen Menschen oder zu ihrer Umgebung entstehen und dort ihren Ursprung haben und nicht von ihnen selbst stammen.

Dies könnte hier an vielen Beispielen weiter ausgeführt werden. Ich will es jedoch bei einem weiteren Beispiel belassen: wenn solch‘ ein HSP-Kind einem Lehrer gegenübersteht, der ihm eine Frage stellt, und dieser dabei selbst die Antwort denkt, entsteht in dem Bewusstsein des HSP-Kindes die Antwort und es kann diese sagen. So haben manche Hochsensible, die im Schriftlichen Probleme hatten, durch mündliche Prüfungen zum Teil ausgezeichnete Noten erreicht. Wir haben in unserem Lernforschungsprojekt „Freie Hofschule Gaisberg“ viele dieser Phänomene gründlich studieren können und haben versucht, beim Lernen bewusst diese besonderen Fähigkeiten der Kinder zu berücksichtigen und daran anzuknüpfen. So war eine der Grundlagen unseres Erfolges, dass wir immer an die Stärken dieser Kinder geglaubt haben und sehr viel Vertrauen in ihre Fähigkeiten hatten. Wir mussten sehr bewusst mit unseren Gedanken und Gefühlen umgehen, um diesen hochsensiblen Kindern überhaupt Lernen im eigentlichen Sinne zu ermöglichen, weil sie gewöhnt waren, immer abzuwarten, was in ihnen auftaucht – oder zu raten. Bei Stress und Angst z.B. in Tests oder in Prüfungen können sie jedoch auf diese Fähigkeiten nicht mehr zugreifen!

Bewältigungsmechanismen

Später im Jugendalter und von Erwachsenen werden zum Abtauchen, Aussteigen, Zur-Ruhe-Kommen, Sich-Betäuben auch Suchtmittel benutzt wie Zigaretten, Alkohol, Drogen. Manche flüchten sich in die Scheinwelten der Computerspiele, wo sie mit ihrer Intelligenz und Schnelligkeit viele Erfolge haben, virtuelle Stars oder Helden werden können – was sie aber der realen Welt immer mehr entfremdet bis hin zur Computersucht. Deshalb sollten Hochsensible sowenig wie irgend möglich mit Bildschirmmedien zu tun haben.

Andere ziehen sich immer mehr in sich zurück, verlieren allen Mut und dann auch ihr Selbstwertgefühl, trauen sich nichts mehr zu, werden dadurch schwach und schwächer – und geraten so in einen Strudel der negativen Gefühle, der immer mehr zu innerem Stress führt bis hin zur scheinbaren Depression, die aber eigentlich auf der Hochsensibilität beruht. Typisch ist für solche Menschen, dass die medikamentöse oder psychologische Behandlung der Depression in der Regel wirkungslos bleibt, Klinikaufenthalte oft die Symptome noch verschlimmern, wenn die Ursache der Hochsensibilität nicht erkannt wird, da für Hochsensible in der Regel Kliniken mit ihren vielen äußeren und inneren Eindrücken zu ganz erheblichen Überlastungssituationen führen.

Wieder andere flüchten sich in innere Welten, heben sozusagen ab aus der realen Welt, die sie so bedrängt. Das kann bis zur Phantasterei und dem Sich-Einspinnen in die eigenen Traumwelten führen. Sie machen sich damit häufig selbst etwas vor, was von anderen z.B. Geschwistern, Eltern, Lehrern immer wieder in Frage gestellt, korrigiert, zerstört wird und damit das Gefühl des Unverstandenseins immer noch mehr verstärkt. Diese Menschen hängen z.T. ein Leben lang ihren unverwirklichbaren Träumen nach und können in der realen Arbeitswelt dadurch nur sehr schwer Fuß fassen. Sie versuchen immer wieder Neues und halten es nicht durch bzw. scheitern damit. Sie sind immer auf der Suche nach dem eigentlich Passenden. Immer sind die anderen schuld, dass ihre tollen Projekte nicht gelingen. Bei manchen gleitet es auch in Depression oder sogar in Kriminalität ab.

Wieder eine andere Art der Kompensation und der Distanzierung besteht in dem Entwickeln und dem Einsatz der eigenen Intellektualität, des schnellen Erfassens von Situationen, des scharfen Urteilsvermögens, der hohen Kreativität beim Finden von Problemlösungen, womit ein intellektueller Schutzschild gegen außen aufgebaut werden kann. Häufig geht das mit einem noch stärkeren Negieren der eigenen Gefühle und damit einer gewissen „seelischen Panzerung“ einher, manchmal gepaart mit Sarkasmus und Ironie. Durch die Intellektualität wird eine Distanz zu allen anderen und zu der Welt gewahrt.

Weiterhin ist mir einige Male begegnet, dass in der Kindheit mit Erfolg die Strategie „kleines Mädchen“ oder „kleiner Junge“ entwickelt wurde, dem man doch seine Ausrutscher bzw. sein Unvermögen entschuldigen muss. Wenn diese Strategie wirklich erfolgreich war, wird sie habituell. So können Sie auch über 50-jährige antreffen, die ihre Ausrutscher, ihr Chaos, ihre Fehler, ihre Sprunghaftigkeit oder Hyperaktivität immer noch mit diesem Muster vor sich selbst rechtfertigen und von den anderen entschuldigt haben wollen.

Das Gefühl für sich selbst verlieren, das Gefühl für andere verlieren

Jetzt habe ich viele Schwierigkeiten und Hindernisse für HSP beschrieben. Glücklicherweise gibt es aber auch viele hochsensible Menschen, die das Gefühl für sich selbst nicht verloren haben, ihre Gefühle zulassen und wahrnehmen können, ganz natürlich gelernt haben, sich zu schützen, denen ihr Selbstbewusstsein erhalten geblieben ist und die sich nicht als „nicht stimmig“ erleben, sondern ihre besonderen Wahrnehmungen schätzen können, die dadurch aus ihrer vollen Kraft schöpfen und ihre Potentiale entfalten können. Diese hochsensiblen und hochbegabten Menschen können ein glückliches und erfülltes Leben führen. Darüber kann sich jeder freuen und braucht keine besonderen Hilfen. Deshalb werde ich hier nicht weiter darauf angehen.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass leider viele Hochsensible – oft schon als Kinder –das Gefühl für sich selbst, ihre Gefühle, Bedürfnisse, für die Grenzen ihrer Belastbarkeit verloren haben. Sie „funktionieren“ einfach und machen alles mit – aber sie leiden andererseits auch – körperlich und seelisch. Sie wissen aber nicht warum! Wie auch oben schon gesagt, greifen sie häufig zu Zigaretten, Alkohol oder anderen Drogen, um sich stumpfer bzw. dicht zu machen gegen die Reizüberflutung. Das ist natürlich keine Lösung, denn im Unterbewussten sind sie ihren erhöhten und erweiterten Wahrnehmungen trotzdem weiterhin ausgesetzt, nur dringt nicht mehr alles bis zum Bewusstsein vor.

Manche verlieren dadurch aber nicht nur das Gefühl für sich selbst, sondern auch das Gefühl für andere Menschen, mit denen sie zusammen sind. Ich treffe immer wieder auf Menschen, die trotz – oder wegen – ihrer Hochsensibilität wenig oder kein Gefühl für andere Menschen, auch nicht für Kinder oder Jugendliche haben. Sie gehen sogar oft besonders hart mit anderen um, weil sie das eigene Muster, mit sich umzugehen, auch auf die anderen anwenden. HSP bedeutet also nicht unbedingt, besonders sozial sein zu können, sondern kann bei Entwicklung solcher Mechanismen auch das Gegenteil bewirken.

Ein erschreckendes Beispiel erlebte ich auf einem Geburtstagsfest einer Freundin von uns gegen Mitternacht, als ich einen hochsensiblen Vater mit seiner etwa 9-monatigen hochsensiblen Tochter auf dem Arm direkt vor den überlaut dröhnenden Boxen der Band tanzen sah. Das Kind hing völlig verstört und schon unfähig sich z.B. durch Schreien bemerkbar zu machen auf dem Arm des Vaters. Der Vater hatte keine Wahrnehmung für sein Kind und sich! Wahrscheinlich war er durch den vorangegangenen Alkoholkonsum schon so desensibilisiert, dass er nur noch seine eigenen Gefühle erleben konnte und nicht mehr merkte, was mit ihm und mit seiner Tochter geschah. Am nächsten Morgen waren Vater und Baby „neben sich“, kaum ansprechbar und nur eingeschränkt „anwesend“.

Andere wiederum können sich zu wenig abgrenzen und „verschwinden“ in dem anderen. Sie hören so intensiv zu, dass sie sich selbst dabei vergessen.

Umgang mit dieser Begabung

Armen Tougu und Kerttu Soans beschreiben in ihrem oben genannten Buch drei grundsätzliche Arten mit diesen besonderen Begabungen umzugehen. Sie nennen es:

  1. den weißen Weg, das sind diejenigen Menschen, die mit Empathie für die anderen da sind, sich in den Dienst des Lebens stellen. Sie haben genügend Kraft, sich dabei nicht zu verausgaben, sondern in Kontakt mit sich und ihren Gefühlen zu bleiben. Sie sind harmonische Persönlichkeiten, die ihre großen kreativen, mitmenschlichen, intellektuellen und anderen Begabungen entwickeln und leben können. Viele von ihnen werden Künstler, Architekten, Berater, Coaches, Seelsorger, Heiler o.ä.
  2. den schwarzen Weg, das sind diejenigen Menschen, die ihre besonderen Begabungen egoistisch dazu benutzen, andere zu manipulieren, zu beherrschen, sich dadurch Vorteile zu verschaffen. Sie sind in gutem Kontakt mit sich selbst, aber sie schützen sich davor, die anderen Menschen wahrzunehmen und auf ihre Bedürfnisse einzugehen. Weil sie die anderen Menschen so gut durchschauen können, können sie sich zulasten anderer viele Vorteile verschaffen und zu ihren eigenen Gunsten nutzen. Hier lauern die Gefahren des Machthungers und der Geldgier und andere.
  3. sich auflösen, beschreibt diejenigen Menschen, die entweder die Verbindung zu sich selbst oder zur Umwelt verlieren. Im ersten Fall verausgaben sie sich ständig und kommen nicht mehr zu sich. Im zweiten Fall isolieren sie sich, können in Apathie, depressionsartige Zustände verfallen, sind vielen Suchtgefahren ausgesetzt. Dabei wird das Selbstbewusstsein immer geringer und das Selbstwertgefühl geht weitgehend verloren. Diese Menschen sind oft auch suizidgefährdet.

Auch wenn ich selbst das nicht unbedingt so beschreiben und einordnen würde, zeigt es meines Erachtens doch Tendenzen auf, die wir heute in der Gesellschaft finden. Daraus ergibt sich für mich eine erhöhte Verantwortung der neuen Kindergeneration gegenüber, dass wir alles tun, um ihnen zu helfen, mit ihren Begabungen in der richtigen Weise umzugehen. Sie bringen einerseits sehr viel Kraft ihrer Persönlichkeiten mit, sind aber andererseits auch vielen Gefahren der ständigen Überladung, der Fixierung auf ihre Auffälligkeiten, der Ablenkung, der Betäubung usw. ausgesetzt.

Eine besondere Ausprägung der Hochsensibilität: gefühlsstarke Kinder/ Menschen

Nicht alle hochsensiblen Kinder und Erwachsenen sind auch besonders gefühlsstark, aber alle besonders gefühlsstarken Menschen sind in der Regel auch hochsensibel. Nora Imlau beschreibt in ihrem Buch: „so viel Freude, so viel Wut - gefühlsstarke Kinder verstehen und begleiten“ (Kösel) die spezielle Situation dieser gefühlsstarken Kinder und insbesondere die Herausforderungen, die sich daraus für die Eltern und begleitenden Erwachsenen ergeben. Bei den gefühlsstarken Kindern sind die Extreme im Gefühlsspektrum und die Schwankungen zwischen diesen besonders ausgeprägt. Sie nennt 8 typische Eigenschaften gefühlsstarker Kinder, die in der Regel jedoch auch allgemein auf hochsensible Kinder zutreffen:

  1. mein Kind erlebt Gefühle unglaublich intensiv
  2. mein Kind ist extrem ausdauernd und hartnäckig
  3. mein Kind ist überdurchschnittlich sensibel
  4. mein Kind ist außergewöhnlich offen für alle Eindrücke
  5. mein Kind kann Abweichungen von Routinen kaum aushalten
  6. mein Kind hat scheinbar niemals endende Energie
  7. mein Kind tut sich sehr schwer mit Veränderungen
  8. für mein Kind ist das Glas oft halb leer.

Einfühlsam beschreibt sie die Besonderheiten dieser besonders gefühlsstarken Kinder und geht insbesondere auf die speziellen Situationen ein, die sich durch ein so geartetes Kind für die Eltern stellen. Dabei beschreibt sie auch typische Reaktionsmuster verschiedener Elterntypen auf solche Kinder und die familiären Dynamiken, die sich daraus ergeben können. Sie geht sehr stark von den erlebbaren Phänomenen aus und geht auf die Ursachen nur insofern ein, als sie diese Kinder als gefühlsstark und hochsensibel erlebt. Sie beschreibt jedoch gut die Stresssituationen, Stressauslöser und die Ursachen dafür. Sie gibt viele gute Beispiele für gelingende Interventionen der Eltern und auch vom Gegenteil. Insgesamt ist das Buch eine wertvolle Lektüre für alle Eltern, die es mit dieser besonderen Ausprägung von hochsensiblen Kindern zu tun haben.

Was können Sie tun?

Persönliche Entwicklung durch Meditation

Ich will hier noch kurz auf eine andere Möglichkeit hinweisen, wie eine gewisse Hochsensibilität bewusst geführt entwickelt werden kann, die allen, die solche Wege gehen, bekannt sein dürfte: Ich kann mich durch eine intensive Selbsterziehung und besondere innere Schulungswege z.B. Meditation und durch viele verschiedene spirituelle Übungen (wie sie für unsere heutige Zeit z.B. von Rudolf Steiner gegeben wurden) bewusst immer sensibler machen für die Wahrnehmung meiner Umwelt, anderer Menschen und meiner selbst – sowie für nicht sinnlich wahrnehmbare Phänomene.

Ich kann damit meine Wahrnehmungsfähigkeit im Laufe der Zeit so erweitern und so erhöhen, dass dadurch meine Sensibilität auf bestimmten Gebieten so stark gesteigert wird, dass die oben beschriebenen Phänomene erweiterter Wahrnehmungen der Hochsensiblen teilweise ebenfalls auftreten können, obwohl sie nicht angeboren oder frühkindlich erworben sind. Es handelt sich dann sozusagen um eine bewusst erworbene Hochsensibilität. Wenn dabei das Denken, Fühlen und Wollen in bestimmter Weise geschult werden, so dass man diese Seelentätigkeiten bewusst lenken kann, und das mit Vorurteilslosigkeit und Positivität ergänzt, bekommen diese Menschen die Möglichkeit, sehr bewusst mit ihren erweiterten Wahrnehmungen umzugehen. Insofern treffen die oben geschilderten Gefahren für HSP hier nicht zu, da man sich selbst entschieden hat, seine Wahrnehmungen erweitern zu wollen.

Diese gerade beschriebenen Möglichkeiten sind den „geborenen“ Hochsensiblen in die Wiege gelegt und könnten in schöner Weise weiterentwickelt und immer bewusster gehandhabt werden, wenn sie rechtzeitig erkannt und als besondere Begabung wertgeschätzt werden. Diese neuen Generationen, die seit etwa 1980 und verstärkt nach der Jahrtausendwende und ab 2010 geboren werden, bringen in sehr hohem Maße diese Fähigkeiten mit. Meiner Erfahrung nach sind hochsensible Menschen meistens ganz natürlich und selbstverständlich spirituell orientiert, haben besonders als Kinder spirituelle Erfahrungen und gehen dann (früher oder später) oft auch bewusst einen spirituellen Weg und können dabei den besonderen Wert ihrer Hochsensibilität noch besser schätzen lernen.

So können Hochsensible sich selbst und ihre verschiedenen Wahrnehmungen, Gefühle und inneren Bilder besser verstehen lernen, wenn sie sich mit dem Gebiet der geistigen Erfahrungen beschäftigen. Es gibt da sehr verschiedene Zugänge, von alten östlichen Wegen, wie den verschiedenen Yoga-Wegen oder dem Zen, bis hin zur Anthroposophie und zum New Age, vom Schamanismus bis zu Geistheilern, vom Spiritismus bis zur „schwarzen Magie“. Es gibt also sehr verschiedene geistige Wege, die zu spirituellen Erfahrungen führen können, die aber nicht die meinigen sind, weshalb ich hier nicht näher darauf eingehen will. Meiner Erfahrung nach muss in Bezug darauf jeder seinen eigenen Weg finden, der für ihn der richtige ist.

Übungen zur Selbsterziehung

Meiner eigenen Erfahrung nach sind gerade für Hochsensible die Übungen zur Selbsterziehung, der differenzierten Entwicklung des Gefühlslebens, des bewussten Umgangs mit „übersinnlichen“ Wahrnehmungen, wie sie von Rudolf Steiner in seinem Buch „Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?“ für die heutige Zeit beschrieben werden, eine große Hilfe, sich selbst besser zu verstehen, die eigenen Wahrnehmungen bewusster zu fassen und einordnen zu können. Sie helfen, sich in dieser Welt der Gefühle und Gedankenbilder zu orientieren und sein Denken, Fühlen und Wollen immer bewusster handhaben zu lernen. Man findet hier verständliche, plausible Erklärungen für Wahrnehmungen und Phänomene, die man sonst nicht verstehen und einordnen kann.

Führt man selbst diese Übungen konsequent über längere Zeit durch, kann man einen viel selbstverständlicheren Zugang zu der eigenen Hochsensibilität und den damit verbundenen Phänomenen finden. Andererseits sind einem viele der dort geschilderten Wahrnehmungen und Phänomene schon vertraut und man bekommt von Seiten eines erfahrenen Geistesforschers eine Bestätigung dafür und kann sie so in ihrem Zusammenhang besser verstehen. Man kann dadurch sehr viel Achtsamkeit, innere Sicherheit, Stabilität, Ausgeglichenheit, Vertrauen in sich und andere, Gelassenheit, Gleichmut, Positivität, Unbefangenheit, also innere Führung entwickeln. Das hilft sehr, im täglichen Leben und im Umgang mit sich selbst mit dieser besonderen Begabung besser zurechtzukommen.

Eine weitere große Hilfe stellen aus meiner Sicht die sog. 6 Nebenübungen von R. Steiner dar: Gedankenführung, Willensführung, Gleichgewicht der Gefühle, Positivität, Vorurteilslosigkeit und Ausdauer (d.h. alle 5 Übungen gleichzeitig) anzuwenden. Mit Ausdauer geübt geben diese Übungen eine große innere Sicherheit und Kraft.

Literatur zu HSP

Falls Sie vermuten, dass bei Ihnen oder Ihrem Kind eine Hochsensibilität vorliegen könnte, empfehlen wir Ihnen aus der Fülle von verschiedenen Büchern zur Hochsensibilität, die es inzwischen dazu gibt und die oft eher persönliche Erlebnisberichte sind, als aus unserer Sicht nach wie vor gültiges Grundlagenwerk, um sich in die Thematik einzulesen, das Buch von Elaine Aron: „Sind Sie hochsensibel?“. Weitere Bücher von ihr sind u.a. „Das hochsensible Kind“ und empfehlenswert für Erwachsene „Sind Sie hochsensibel? Das Arbeitsbuch“ (alle im mvgverlag).

Vertiefende Arbeit an Ihrem persönlichen Thema

Wenn Sie weiter an diesen Fragen arbeiten wollen, sollten Sie das mit Menschen tun, die selbst hochsensibel sind und ihre Erfahrungen damit gut verarbeitet haben. Unserer und unserer Klienten Erfahrung nach sind die wenigsten Ärzte, Psychologen oder Psychotherapeuten mit diesem Thema vertraut, außer sie haben selbst eine von ihnen erkannte und bewusst verarbeitete Hochsensibilität und können sie deshalb auch an anderen Menschen erkennen.

Falls Sie das wollen, stehen wir Ihnen als mit diesem Thema erfahrene Gesprächspartner gerne zur Verfügung. Nach einem ersten Kontakt per Email telefonieren wir gerne in einem (kostenlosen) Erstgespräch mit Ihnen, um herauszufinden, ob wir die richtigen Ansprechpartner für Sie sind. Unserer Erfahrung nach ist eine solche Abklärung notwendig und sinnvoll, um zu klären, ob wir eine Grundlage für den weiteren Aufwand für ein persönliches Treffen mit einer gemeinsamen Arbeit an Ihren Fragen schaffen können. So wollen wir unnötigen Aufwand und Enttäuschungen möglichst minimieren.

Wir haben auch einen Fragebogen entwickelt und nutzen einen einfachen Test, um mögliche Tendenzen zur Hochsensibilität entdecken zu können. Dann können wir Ihnen unseren Fragebogen zuschicken, den Sie für sich oder Ihr Kind ausfüllen. Diesen ausgefüllten Bogen können Sie uns dann zumailen, so dass wir dann am Telefon mit Ihnen darüber sprechen können. Daraus ergeben sich dann meistens die weiteren Schritte.

Sie können dann zu einem persönlichen Treffen hierher zu uns nach Altenmarkt-Thalham kommen. Dann machen wir meist erst einmal einen gemeinsamen Spaziergang in unserer schönen Flusslandschaft, damit Sie hier ankommen und wir uns gegenseitig kennenlernen können.

In einem zweiten Schritt klären wir Ihre Erwartungen an dieses Treffen und an uns als Grundlage für die weitere Arbeit, die sich dann ganz an Ihren Fragen orientiert. Daraus ergibt sich dann in der Regel auch der Zeitrahmen für dieses Treffen. Unserer Erfahrung nach ist es je nach Dauer der Anreise sinnvoll, um 9:30 Uhr bzw. 10:30 Uhr zu beginnen und bis 13:00 Uhr zu arbeiten. Dann sind Sie zum Mittagessen bei uns eingeladen. Danach machen wir eine kurze Mittagspause, in der Sie spazieren gehen, am Fluss sitzen, im Sommer auch baden oder sich ausruhen können.

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es sinnvoll ist, diesen Fragebogen und Test gemeinsam mit uns zu bearbeiten, da sich sofort verschiedene Fragen daraus ergeben, die am besten gleich besprochen werden sollten.

Daraus ergeben sich in der Regel die Themen, die wir dann gemeinsam mit Ihnen bewegen.

Falls sinnvoll und nötig schließt sich in der Regel von ca. 15:00 bis 17:00 Uhr oder 18:00 Uhr eine weitere gemeinsame Arbeit an Ihren Fragen an. Wir schließen dann mit einem kurzen gemeinsamen Rückblick und Vorblick ab.

Der Email-Kontakt und der telefonische Erstkontakt sind kostenlos. Für die die intensive Arbeit mit Ihnen hier vor Ort, für die wir in der Regel einen halben oder einen ganzen Tag ansetzen, sind wir als Freiberufler auf ein Honorar angewiesen, das wir jeweils persönlich mit Ihnen vereinbaren.

Falls Sie Kontakt mit uns aufnehmen wollen. machen Sie das am besten erst per E-Mail und dann telefonisch.

Johannes und Michael Harslem


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